Mein Kind hat Koliken (Bauchschmerzen/Exzessives Schreien)!

Hier finden Sie alles Wichtige für Eltern zum Thema …
Entstehung von Koliken
Ursachen von Koliken
… was Sie dagegen machen können oder müssen
… Wann Sie zum Arzt müssen
… und viele weitere wichtige Informationen zum Thema „Koliken im Kindesalter“ zusammengefasst.

Was ist denn das Problem?

Sie kommen aus der Klinik nach der Geburt nach Hause und in den kommenden Wochen finden Sie kaum Schlaf, da Ihr Kind schreit und schreit und schreit, ganz egal, was Sie machen. Und langsam liegen Ihre Nerven blank und Sie gehen auf dem Zahnfleisch…

Schreien hat im Kindesalter die unterschiedlichsten Ursachen. Am schwierigsten einzuschätzen ist das Schreien im Säuglingsalter, also vom ersten bis zum zwölften Lebensmonat. Und ausgerechnet Neugeborene (also Babys im ersten Lebensmonat) und Säuglinge in den ersten 3 Lebensmonaten können am allerwenigsten klarmachen, worin die Ursache liegt … eben genau die Gruppe, bei der man die meisten Sorgen hat.

Was passiert denn da?

Schreien im frühen Babyalter kann unterschiedlichste Ursachen haben. Diese können harmlos sein wie z.B. Hunger, Müdigkeit, eine volle Windel oder Reizüberflutung. Diese kann man meist relativ leicht und schnell selbst beseitigen. Aber auch andere, schwerwiegendere Gründe wie Schmerzen oder Infektionen können zum Schreien führen. Diese sind schon etwas schwieriger abzugrenzen, doch häufig gibt es weitere Hinweise im Verhalten oder der Untersuchung des Kindes (Schwellungen, Bewegungseinschränkungen, Flüssigkeitsverlust,…), durch die man der Ursache des Schreiens auf die Schliche kommen kann.

Schreien aufgrund von Säuglingskoliken (oder auch „Säuglingsbauchschmerzen“ oder „Exzessives Schreien“ genannt) lässt sich relativ gut von den oben genannten Ursachen abgrenzen, wenn das Schreien der 3-er Regel entspricht und bestimmte Kriterien in der Art und dem Umgang mit dem Schreiens erfüllt sind. Diese lauten wie folgt:

Die 3-er Regel:

  • mehr als 3 Stunden am Tag
  • an mehr als 3 Tagen die Woche
  • in den ersten drei Lebensmonaten

Das Schreien in diesen Phasen wird wie folgt beschrieben:

  • heftigeres Schreien als bei Hunger oder Müdigkeit
  • Plötzliches Einsetzen ohne Vorwarnung
  • Es gibt keinen erklärbaren Grund
  • Und nichts was man macht hilft um das Schreien zu stoppen

Grundsätzlich sind die Säuglingskoliken etwas, wovon jedes Kind betroffen sein kann. Es spielt keine Rolle auf welche Art es geboren wurde, ob es ein Reifgeborenes oder ein Frühchen ist oder ob es gestillt oder mit der Flasche gefüttert wird.

Auch gibt es keinen Hinweis darauf, dass exzessives Schreien in den ersten Lebensmonaten mit einer bestimmten Einschränkung oder gar Behinderung im späteren Leben verbunden ist. Vielmehr scheint es lediglich ein zeitlich umschriebenes Problem für eine bestimmte Zeit zu sein.

Wodurch kommt es denn zum Schreien?

Tja, wenn man das so genau wüsste… Es gibt viele Theorien darüber, warum kleine Babys Koliken haben.

Dazu gehören folgende:

  • Ernährungsstörungen: Über- und Unterfütterung, ausgeprägtes Luftschlucken und der gastrale Reflux, also ein wiederholtes Zurücklaufen von Nahrung aus dem Magen in den Rachen, eine Art „Sodbrennen“.
  • Allergische Reaktion: Eine allergische Reaktion auf bestimmte Kuhmilchproteine, Milchzucker oder andere Bestandteile der Muttermilch, welche zu einer chronischen Entzündungsreaktion führen kann. Diese Theorie kann allerdings zurzeit nicht wirklich mit stichhaltigen Ergebnissen belegt werden.
  • Unreife des Darms: Der gesamte Darm ist von einem der größten Nervengeflechte des Körpers umgeben. Dieses ist für die möglichst reibungslose Aufnahme und vor allem aber den Transport des Nahrungsbreies verantwortlich. Wie viele andere Körperfunktionen (z.B. die Leberfunktion) ist aber bei manchen Babys diese Vernetzung der Nervenzellen bei Geburt und auch danach noch nicht endgültig fertig gestellt. Und das kann zu Bewegungsstörungen der Darmbewegung oder einer unzureichend gesteuerten Aufnahme der Nahrungsbestandteile führen.
  • Falsche Darmkeimverteilung: Bereits in den ersten Lebensstunden sorgen mütterliche Bakterien für eine Besiedlung des Magen-Darmtraktes des Kindes. Über die Muttermilch wird in der nun folgenden Zeit die endgültige Besiedlung des kindlichen Darms erreicht. Dies sind zum überwiegenden Teil für den Körper ungefährliche Keime, aber sie scheinen in einem Gleichgewicht zu stehen. Gerät dieses Gleichgewicht aus dem Lot, kann es u.a. zu vermehrter Darmgasentwicklung oder Verdauungsstörung kommen.
  • Psychosoziale Probleme: Babys können bereits sehr früh verschiedene Emotionen und deren Änderungen wahrnehmen. So wird eine Reizüberflutung genauso wie eine gestörte Eltern-Kind-Interaktion durch sehr ängstliche, unruhige oder überforderte Eltern vermutet.

Wie kann man die Vermutung bestätigen bzw. warum Schreien Kinder sonst noch?

Die 3-Monatskoliken sind eine sogenannte Ausschlussdiagnose. Wenn ihr Kind also die oben aufgeführten Kriterien erfüllt, sollten nun noch andere Ursachen ausgeschlossen werden, die ein Baby ebenfalls zum Schreien bringen können.

Hunger? – Hat das Kind Hunger, ist es ausreichend gefüttert worden und nimmt es auch adäquat (also nicht zuwenig und nicht zuviel) an Gewicht zu?

Windeln voll? – Das ist relativ einfach zu überprüfen…

Müde und/oder überreizt? – Lässt sich Ihr Kind einfach beruhigen wenn es in eine reizarme Umgebung gebracht wird? Wie ist der Schlafrhythmus und die absolute Schlafmenge (Wobei diese teilweise von Kind zu Kind erheblich variieren kann)?

Schmerz? – Hat Ihr Kind einen wunden Hintern? Achten Sie auf mögliche Abschnürungen von Fingern, Zehen oder sogar dem Penis. Diese können sogar durch elterliche Haare verursacht werden!
Nahrungszusammenhang? – Taucht das Schreien konstant nach der Nahrungsgabe, also innerhalb einer Stunde danach auf?

Infektion? – Hinweise auf eine Infektion können erhöhte Temperatur, ein schlappes Kind, bläuliche Hautfarbe oder angestrengte Atmung sein.

Und was kann man machen?

Wenn Wickeln, Füttern und eine ruhige Umgebung nicht helfen, gibt es eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die Sie haben. Die meisten sind wahrscheinlich jedem Elternteil klar und trotzdem nicht so ganz einfach:

  • Tragen (Fliegergriff, Brust, Tragetuch, …)
  • Vorsichtige Bauchmassage
  • Schnuller
  • Puken (Das Kind wird hierbei fest mit den Armen und Beinen am Körper in ein Tuch eingewickelt)
  • Füttern in eher aufrechter Position und gutes Augenmerk auf das Aufstoßen in regelmäßigen Abständen
  • Warmes Baden
  • Schaukeln in der Wippe
  • Spazierengehen oder –fahren
  • Monotone Hintergrundgeräusche (Staubsauger, Fön oder sogar Hintergrundgeräusche CD’s!)

Am Wichtigsten ist aber, dass Sie sich rechtzeitige Auszeiten vom Schreien nehmen wenn dies möglich ist. Spannen Sie Partner, Familie oder Freunde ein um ein paar Minuten Ruhe bekommen zu können! Denken Sie immer daran: Sie sind nicht allein, vielen Eltern geht es wie Ihnen.

Wenn Sie das Gefühl von Überforderung bekommen, dann ist das nur allzu verständlich. Schlafentzug ist nicht umsonst als Foltermittel bekannt. Suchen Sie frühzeitig Unterstützung durch eine Hebamme oder den Kinderarzt, die Ihnen häufig Sorgen abnehmen können. Um Ihre Situation möglichst schnell und gut zu erfassen, ist ein Beschwerdetagebuch sehr hilfreich. Notieren Sie in einem Kalender über mehrere Tage oder sogar Wochen hinweg folgende Punkte:

  • Wann fängt das Schreien an?
  • In welcher Situation fängt das Schreien an?
  • Wie lange dauert das Schreien an?
  • Was sorgt evtl. zum Aufhören des Schreiens?
  • Was haben Sie während des Schreiens gemacht.
  • Beschreiben Sie die Art des Schreien (Schrill, Wütend, zyklisch, …) und im Vergleich zum Schreien in andern Situationen (z.B. Hunger).
  • Was vermuten Sie als Ursache?
  • Wie haben Sie sich dabei gefühlt?
  • Welche Probleme haben Sie noch im Alltag?

Und was sollte man nicht machen?

Es gibt einige Maßnahmen, die in Ausnahmesituationen (und ein permanent schreiender Säugling ist eine solche) nachweislich keine Hilfestellung bieten oder sogar gefährlich werden können, obwohl es immer jemanden aus dem Bekanntenkreis gibt, „dem das 1000% und sofort geholfen hat“. Dazu gehören:

  • Keine Osteopathie bei Säuglingen. Die immer wieder erwähnte kraniosakrale Therapie ist mit einem nachweislich erheblichen Risiko für Schäden beim Baby assoziiert und wird von allen seriösen Kindermedizinischen Fachgesellschaften NICHT empfohlen. 1
  • Keine homöopathischen Anwendungen oder Medikamente. Diese haben nachweislich keine Wirkung und sind nicht für die Anwendung bei Säuglingen empfohlen. 2
  • Keine Kräuteranwendungen.
  • Keine Babymassage durch Masseure. 3
  • Kein Simeticon („Sab Simplex“). Dies ist ein entschäumendes Mittel, das nachweislich keinen Effekt bei Säuglingskoliken hat. 4/5
  • Keine Akupunktur. 6
  • Sanfte Gewalt oder gar Schütteln
  • Keine Sojamilch, keine ballaststoffreiche Nahrung

Wann sollte man oder muss man sogar zum Arzt?

Häufig durchstehen Eltern die schwere Zeit zusammen. Bei folgenden Punkten sollten Sie aber doch mit Ihrem Kind zum Kinderarzt:

  • Fortbestehendes Schreien über den 4. Lebensmonat hinaus
  • Eine akute Infektion
  • Blutige Durchfälle (Hinweis auf eine Invagination)
  • Jegliche Atemstörung
  • Blaue Hautfarbe

1 Dobson, D.; Manipulative therapies for infantile colic; Eur J Pediatr. 2010; 169(12):1549
2 Wille, D.; Too much of too little; Cochrane Database Syst Rev. 2012; 12:CD004796
3 Lucassen, P.; Colic in infants; BMJ Clin Evid. 2010;2010
4 Metcalf, TJ.; Simeticone in the treatment of infantile colic; Pediatrics 1994;94(1):29
5 Biagioli, E.; Pain relieving agents for infantile colic; Cochrane Database Syst Rev. 2016 Sept;9:CD009999
6 Skjeie, H.; Acupuncture treatments for infantile colic; Scand J Prim Health Care 2018;36(1):56

Immer gilt:
Ich sammle für Sie den aktuellen Stand vieler medizinischer Aspekte rund um die verschiedensten Kinderkrankheiten und Symptome. Damit können Sie hoffentlich viele Situationen rund um Ihre Kinder besser einschätzen lernen und dadurch Ängste verlieren. Allerdings bleibt über allem stehen: Sollten Sie sich unsicher sein, zögern Sie nicht ihren Arzt aufzusuchen um Symptome direkt fachkundlich beurteilen zu lassen oder Antworten auf drängende Fragen zu bekommen.